Die Lesung aus dem halbdokumentarischen Roman „Henkersknechte“ von Ales Adamowitsch ging der Frage nach, wie es in den Jahren 1942/43 in der besetzten Belarussischen SSR der deutschen Wehrmacht und der SS gelang, kriegsgefangene Sowjetsoldaten als Henkersknechte gegen die eigene Bevölkerung einzusetzen. Dabei konnte sich Ales Adamowitsch, der schon als jugendlicher Partisan gegen die deutschen Besatzer kämpfte, auf Aussagen deutscher und nichtdeutscher SS-Angehöriger in sowjetischen Gerichtsverfahren der Nachkriegszeit beziehen. Der Roman erschien 1982 im Aufbau-Verlag der Deutschen Demokratischen Republik und wurde seither nicht wieder aufgelegt.
Das Publikum folgte mit hoher Aufmerksamkeit der Lesung, die von Bernd Fischer, Barbara Heller und Wolfgang Krieger vorgetragen wurde. In den Texten ging es um das „Sonderbataillon Dirlewanger“, das die Vernichtung von etwa 200 Dörfern mit mehr als 120.000 Menschen zu verantworten hatte. Das bekannteste unter diesen Dörfern war das Dorf Chatyn mit 149 Personen, darunter 75 Kinder unter 16 Jahren.
„Von guten Menschen ist hier kaum die Rede“, schrieb Hermann Kant im Vorwort des Romans. „Allenfalls von solchen, die hoffen, nicht die Schlimmsten zu sein. Man schickt sie ins Verbrechen und glaubt noch, wo man schon Kannibale ist, der Mensch könne unter allen Umständen menschlich bleiben.“
Doch dem Hungerlager zu entkommen, gab es 1942 für einen Kriegsgefangenen nur einen Weg: Er musste sich als „Freiwilliger“ dem Befehl der Deutschen unterstellen und tun, was ihm befohlen wurde, wollte er am Leben bleiben. Die entsetzlichen Verbrechen dieser Henkersknechte spiegeln sich zum Beispiel in folgender Aussage eines österreichischen Wehrmachtsangehörigen:
Hans Joseph Höchtl, Österreicher
1946. Antworten des deutschen Soldaten Hans Joseph Höchtl, Österreicher, geboren in der Stadt Sankt Pölten, ehemaliger Gefreiter im 718. Feldausbildungsregiment, vor Gericht.
Frage: Wann war die zweite Strafexpedition gegen die Partisanen?
Antwort: Die zweite Operation gegen die Partisanen fand im Februar 1943 zwischen Polozk und der Station Obol statt. Während der Operation habe ich persönlich 40 Häuser angezündet und 280 Personen erschossen. Insgesamt hat unser Zug mehr als 2.000 friedliche Einwohner erschossen … Ich habe fasch gehandelt, aber wenn ich den Befehl nicht ausgeführt hätte, wäre ich bestraft worden.
Frage: Woran haben Sie gedacht, als Sie friedliche Menschen erschossen?
Antwort: An gar nichts.
Frage: Wie alt waren Sie damals?
Antwort: Achtzehn.
Ales Adamowitsch, Belarusse
Ales Adamowitsch wurde als Schriftsteller auch im Zusammenhang mit der Blockade Leningrads durch die deutsche Wehrmacht bekannt. „Das Blockadebuch“ von Daniil Granin und Ales Adamowitsch beschreibt den Überlebenskampf der Leningrader Bevölkerung (1941-1944). Ebenso trägt das Drehbuch für den Film „Komm und sieh“ von Elem Klimow die Handschrift des 1927 in der Belarussischen SSR geboren Autors.
Durchgeführt wurde die Lesung am 26. November in der Villa Ichon, Bremen. Veranstaltet vom Deutsch-Russische Friedenstage Bremen e. V. im Rahmen der 5. Deutsch-Russischen Friedenstage. Gewidmet waren diese Friedenstage der Erinnerung an die Verbrannten Dörfer in Belarus. Das Buch „Henkersknechte“ fügt sich in diese Themenreihe ein. Es kann nur noch antiquarisch erworben werden. Für den Verein begrüßte Horst Otto die Gäste.
Text: H.O./B.F.; Abbildungen: Hartmut Drewes