Den Gästen der Vernissage zur Ausstellung „Die Transsibirische Eisenbahn. Eine russisch-europäisch-asiatische Lebensader. Geschichte und Perspektiven“ wurde nicht zu viel versprochen! Auf mehr als 40 Archivfotos entfaltet sich die ganze Bandbreite der Idee zum Bau dieser bedeutenden Bahnverbindung in einem denkbar schwierigen politischen, topografischen und ökonomischen Umfeld. Die historisch geprägten Abbildungen geben eine beeindruckende Geschichte aus dem 19. Jahrhundert wieder: vergangen, romantisch, faszinierend, immer aber großartig in der Präsentation, was Russen und Europäer gemeinsam mit dem Bau dieser Magistrale geschaffen haben. Die Ausstellung ist noch bis 30. November in der Stadtbibliothek Bremen zu sehen.

Thomas Meyer-Bohè betont den paneuropäischen Charakter der Entstehungsgeschichte

Es gehört zum Erkenntnisgewinn des Vortrages am 5. Oktober, dass dieses gigantische Bauwerk mit mehr als 9.000 km Fahrstrecke, seinen Bahnhöfen, Wassertürmen, Wohnsiedlungen, Werkstätten, Krankenhäusern und der Infrastruktur für ein besseres Leben als Ergebnis der Kooperation auf zahlreichen Spezialgebieten des Expertenwissens möglich wurde. Im Vortrag heißt es: „Viele Europäer halfen, brachten Kenntnisse ein: die Italiener, sehr wichtig, bauten Tunnels, die Holländer als Händler waren große Financiers, die Engländer waren im Eisenbahnbau seinerzeit führend. Das Wirken der deutschen Baumeister war in vier Bereichen wichtig. Zunächst im Aufbau von Normen und Bauordnungen, Standardisierungen und Typenplanungen im Rahmen der öffentlichen Verwaltung: das ist gerade im Eisenbahnbau und bei der Größe des Landes zentral bedeutsam, wenn auch nicht immer eingehalten: die technischen Anforderungen wurden bei der Transsib nicht selten im Prozess abgesenkt, Gleise waren mancherorts nur halb so schwer wie üblich und bogen sich, wären andererseits bei Tauwetter auch schneller eingesunken.

Die Deutschen bauten auch Hochschulen und Universitäten auf und brachten damit die so wichtigen Ingenieure und Fachleute auf den Markt. Ingenieure wie die in Sibirien wirkenden Arnold, Gut oder Uhde prägen die Ingenieurausbildung mit ihren Grundlagenwerken bis heute.“

Dr. Thomas Meyer-Bohé, ltd. Baudirektor a. D., seit 1996 Professor an der Staatlichen Akademie für Architektur in Novosibirsk, trägt vor.

Deutschland verschenkt riesige Kooperationspotenziale

Meyer-Bohè macht in seinem Vortrag auch darauf aufmerksam, dass der Ausbau des Eisenbahnnetzes in Russland rasant weiter geht. Eine Hochgeschwindigkeitsstrecke St. Petersburg Moskau steht an. Eine weitere Strecke ist von Kasan nach Moskau geplant. Im fernen Osten, in Rajin in Nordkorea, dem nördlichsten eisfreien Hafen Asiens, könnte als gemeinsame Vision von Nordkorea, Russland und China ein riesiges Logistikzentrum entstehen. Die neueste Nachricht besagt, dass Russland den Bau einer 2.000 Kilometer langen Bahnlinie im hohen Norden prüft. Hier zeigen sich Anknüpfungspunkte für erfahrene deutsche Firmen und eine mögliche Fortsetzung der gemeinsamen Erfolgsgeschichte.

Leidenschaftliches Plädoyer für Frieden und Verständigung

„JETZT, wenn nicht jetzt, ist die Zeit, nicht weiter in nur ganz wenigen Jahren alles zu zerstören, was hunderttausende Deutsche, Europäer und Russen und Ukrainer über Jahrhunderte seit Peter dem Großen und Katharina von Zerbst aufgebaut haben“, so Meyer-Bohè. Abschließend erklärt der Redner: „Frieden jetzt zu schaffen, wieder als Nachbarn, als Europäer und Russen zusammen zu arbeiten wie seinerzeit bei Planung und Bau der Transsib, dafür stehe ich hier. Und dafür stehe ich JETZT.“

Veranstalter Deutsch-Russische Friedenstage Bremen e. V.

Begrüßt wurde das zahlreich erschienene Publikum durch Wolfgang Müller, Vorsitzender des veranstaltenden Vereins für Deutsch-Russische Friedenstage. In seinen Eingangsworten betont der Sprecher, dass es gerade auch in diesen Tagen darum geht, sich nicht der Politik der „Zeitenwende“ hinzugeben, sondern das Gespräch mit Russland zu suchen und für eine schnelle friedliche Lösung des Ukraine-Konfliktes zu werben.

Musikalisch gerahmt wurde das Programm durch den Bajanisten Valerij Holstein. Spontan griffen Besucherinnen und Besucher seine Melodien auf und sagen gemeinsam zur Freude der Gäste.

Text: Horst Otto
Abbildungen: Marlies und Sönke Hundt, Hartmut Drewes

Wolfgang Müller, Vorsitzender der Deutsch-Russischen Friedenstage Bremen e.V.

Musikalisch gerahmt wurde das Programm durch den Bajanisten Valerij Holstein.