Kino im Kunz

Komm und sieh“ von Elem Klimow ist, wie der Filmwissenschaftler Marcus Stiglegger schreibt, „ein historischer Film. Als Kriegsfilm aus der Sicht eines pubertierenden Jungen reicht er in eine selbstdurchlebte Vergangenheit zurück: Klimow, geboren 1933 in Stalingrad, wollte schon zu Beginn seiner Regiekarriere vom Krieg erzählen. Lose basierend auf der Romanvorlage „Die Erzählung von Catyn“ von Ales Adamowitsch, der zusammen mit Klimow auch das Drehbuch schrieb, zeigt der Film die erschütternden Erlebnisse des Jungen Fljora in Weißrussland während des zweiten Weltkriegs. Die deutschen Truppen befinden sich auf dem Rückzug und richten im Rahmen der Politik der verbrannten Erde verheerende Massaker unter der Zivilbevölkerung an.

Im vorletzten Kriegsjahr 1944 muss die Gewissheit, in absehbarer Zeit zu den Verlierern zu gehören, in Teilen der Wehrmacht, vor allem aber in der SS, die ohnehin vorhandene sadistische Lust am Töten ins schier Unfassbare gesteigert haben, was uns im Film als „Bacchanal des Bösen“ gezeigt wird, als massenmörderisches Fest, begangen von der 36. Waffengrenadierdivision der SS unter dem Kommando von Oskar Dirlewanger, der im Kampf gegen die sowjetische Partisanenarmee als „Hitlers Lieblingsbarbar“ (Gerhard Zwerenz über Dirlewanger) eine Schneise der Verwüstung in den weiten Wäldern und Sümpfen des Ostens hinterließ.

Verwüstet wird dabei auch die Seele eines Jungen, der sein Dorf als halbes Kind verlässt in der Hoffnung, wie ein Mann zu kämpfen. Tatsächlich beginnt er auch im Laufe des Films zu altern, doch es ist das Altern der Verzweiflung und des Grauens, das die Glätte seiner jugendlichen Haut zerreißt und in schrundige Falten legt. „Man darf vor dem Schrecklichen nicht schamhaft die Augen niederschlagen“, schreibt Klimow über die Arbeit als Regisseur. „Solange die Welt noch nicht von Brutalität und Gewalt überschwemmt ist, muss die Filmkamera wie ein Skalpell benutzt werden, um die Gleichgültigkeit gegenüber Grausamkeiten und Abscheulichkeiten zu verhindern.

Gezeigt wurde das filmische Meisterwerk am 10. März durch den Verein Deutsch-Russische Friedenstage.

Text: Bernd Fischer
Abbildung: Fljora, dargestellt von Alexeij Krawtschenko