Im Rahmen der Ausstellung zum Ende der Blockade von Leningrad (1941-1944) vor 80 Jahren wurde Lyrik der russischen Dichterin Anna Achmatowa (1889-1966) vorgetragen. Sie wurde zu Anfang der Blockade mit anderen Künstlerpersönlichkeiten aus Leningrad nach Taschkent evakuiert, war aber gedanklich mit ihrer Heimatstadt weiter eng verbunden.
Zwischen den Lesungen wurden von Jens Derner und Wolfgang Krieger biografische und historische Anmerkungen gebracht und von den Musikern Tim Schikoré und Vladirimos Papadopoulos (beide Gitarre), Ivan Emelianov (Cello), Vladislav Savenko (Violine) sowie Larissa Scherschel (Gesang), Lena Titowa (Gesang) und Slawa Krawetz (Klavier) vom Chores „Rodina“ Musikstücke dargeboten.
Es lasen in Deutsch bzw. Russisch Rolf Becker (Hamburg), Irene Baumann, Anna Novoshilova und Alexander Kilidi. Alles unterstützt durch Lichtbilder, u. a. von Achmatowa und Dimitri Schostakowitsch, von dem auch Musik erklang.
Arrangiert war das Programm von der AG „Russische Lyrik im Spiegel der Zeit“.
Die Veranstaltung fand in der evangelischen Kirche Unser Lieben Frauen in Bremen statt, ausgerichtet vom Verein „Deutsch-Russische Friedenstage Bremen e. V.“ in Kooperation mit der Friedensinitiative der Gemeinde Unser Lieben Frauen. Das Publikum war rundum begeistert. Erneut bestätigte der große Beifall, dass dieses Format mit dem Vortrag der Lyrik auf Deutsch und Russisch sowie die musikalische Rahmung besonders gefällt.
Es folgen die Texte von drei vorgetragenen Gedichten:
Nach Freiheit duftet der wilde Honig
Nach Freiheit duftet der wilde Honig
Der Staub – nach Sonnenstrahl
Nach Veilchen duftet der Frauenmund
Und Gold? Gold duftet nicht.
Die Reseda duftet nach Wasser
Nach Liebe – der Apfel
Durch das Leben lernten wir
Dass Blut nur nach Blut riecht
Nach Freiheit duftet der wilde Honig
Der Staub – nach Sonnenstrahl…
(1934, Übersetzer*in unbekannt)
Die Weide
Und die altersschwachen Bäume.
Puschkin
Ich aber wuchs in grüngemusterter Stille
In des Jahrhundertanfangs kühlem Kinderzimmer.
Lieb war mir keine Menschenstimme,
Verständlich, was der Wind sprach und verschwieg.
Die Nessel liebte ich und die wilden Kletten,
Am meisten meine Weide, silberblättrig.
Und, dankbar, lebte sie das ganze Leben
Mit mir, wehte mit weinenden Zweigen
Mir Träume in die Schlaflosigkeiten…
Nun, seltsam, habe ich sie überlebt.
Dort‘ ragt der Stumpf, mit leisen Stimmen
Reden andere Weiden fremde Worte
Unter dem alten, unter unserem Himmel.
Ich schweige, schweig. Als wär ein Bruder gestorben.
(1940, übertragen von Rainer Kirsch)
Todesvögel stehn in der Luft
Todesvögel stehn in der Luft,
da Leningrad um Hilfe ruft.
Lärmt nicht, noch kann es sich atmend erheben,
hört noch alles, ist am Leben:
auf der Ostsee tiefem Grund
stöhnen die Söhne im Schlaf sich wund,
„Brot!“ – aus innersten irdischen Qualen
Dringt dieser Ruf zu den Himmelsscharen…
(1941, übertragen von Kay Borowsky)
Text und Fotos: Hartmut Drewes