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Dank an die Völker der Sowjetunion – Kranzniederlegung in Bremen

Photos: Hartmut Drewes

Der 2019 in Bremen gegründete Verein „Deutsch-Russische Friedenstage Bremen“ führte unter den durch Covid19 bedingten Abstands- und Beschränkungsmaßnahmen eine Kranzniederlegung auf dem Osterholzer Friedhof in Bremen durch. Auf diesem Friedhof fanden nach 1945 viele im Krieg umgekommene und umgebrachte Menschen ihre letzte Ruhestätte, auch Bürger und Bürgerinnen der Sowjetunion. Nach der Kranzniederlegung des Vereinsvorsitzenden Herbert Wehe sprach Hartmut Drewes, Pastor i.R., zum Plan der deutschen Faschisten, 30 Millionen Russen dem Hunger auszuliefern, um dann die russischen Gebiete bis zum Ural deutschen Siedlern zu überlassen. Daraus folgte ein verbrecherischen Krieg. Angesichts des erlittenen unermesslichen Leids der Menschen der Sowjetunion war es umso bewundernswerter, dass die Rote Armee nicht nur die Wehrmacht aus der Sowjetunion vertrieb, sondern den wesentlichen Beitrag zur Befreiung der Völker Europas erbrachte. Drewes verurteilte die Politik der Bundesregierung, Russland als Bedrohung hinzustellen und gegen dieses Land militärisch aufzurüsten, Manöver durchzuführen, Truppen an Russlands Grenze zu stationieren und bei der atomaren Teilhabe zu bleiben. Es sei vielmehr angesagt, so Drewes, ein gutes, ein friedliches, ja freundschaftliches Verhältnis zu Russland zu entwickeln.

Anschließend rezitierten sehr eindrucksvoll Manni Laudenbach von der Shakespeare-Company Bremen und Irene Baumann vom Verein Deutsch-Russische Friedenstage Bremen das Gedicht „Meinst du, die Russen wollen Krieg?“ von Jewgeni Jewtuschenko in deutscher und russischer Sprache. Am Ende legten die Teilnehmenden rote Nelken auf die Gräber, und die Partei die Linke legte ein Blumengebinde an das Denkmal „Trauernde Frauen“ von 1965.

8. Mai 2020
Ansprache am Gräberfeld NN auf dem Osterholzer Friedhof Bremen

Hartmut Drewes

Liebe Freundinnen und Freunde vom Verein „Deutsch-Russische Friedenstage Bremen“,
liebe Gäste,

nur eine kleine Gruppe kann sich heute hier zu einer Kranzniederlegung am Gräberfeld „NN, Ausländische Kriegsopfer“ treffen. Die Bezeichnung „Ausländische Kriegsopfer“ ist eine Verharmlosung. In Wahrheit sind diese in Bremen umgekommenen Menschen, zu einem sehr großen Teil sowjetische Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, Ermordete, ja Ermordete. Der deutsche Faschismus begann gleich nach dem Überfall auf die Sowjetunion mit dem Plan, Russland bis zum Ural von deutschen Siedlern zu kolonisieren und dabei mindestens 30 Millionen Menschen umkommen zu lassen. Das steht schwarz auf weiß in einem Dokument des deutschen Staatssekretärs Herbert Backe aus dem Jahr 1941. Die sowjetischen Kriegsgefangenen ließ man zu großen Teilen verhungern.

Die sowjetischen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter erhielten besonders kleine Essensrationen: Eine Tagesration bestand aus 125 gr. Brot, einen Würfel Margarine und abends noch ein Liter Suppe, ohne Kartoffeln, ohne Fleisch; nur ein paar Erbsen oder Bohnen, manchmal auch nur ein paar Kartoffelschalen. Und das bei einem Arbeitstag von 13 Stunden, auch am Sonntag.

Zum Teil wurden diejenigen, die das nicht durchhielten, nahe beim Lager in Massengräbern verscharrt. Zugleich wurden der sowjetischen Bevölkerung in den besetzten Gebieten ihre eigenen Lebensmittel entzogen und sie der Wehrmacht und der deutschen Bevölkerung zugeführt. Auch die Belagerung Leningrads hatte zum Ziel, die Bevölkerung auszuhungern.

Bei Interviews zur Nazizeit erzählte ein Oslebshauser, dass er als Junge einen russischen Zwangsarbeiter von ihrer Schweineabfallgrube verjagt habe, in der sich eingesäuerte Kartoffelschalen befanden. Sein Vater, ein Arbeiter auf der Stahlhütte, sah das und hat seinen Sohn so verprügelt, dass der Sohn dachte, er schlüge ihn tot.

Er war vorher von seinem Vater nie geschlagen worden. Der Vater sagte ihm: „Wer sowas isst, den jagt man nicht weg. Der muss doch wohl Hunger haben.“ Und der Sohn fügte uns hinzu: „Wir hatten in der Schule gelernt, dass das Untermenschen, Menschen dritter Klasse waren.“ In einer Befragung des Magazins DER SPIEGEL zu 1945 wurde ein ehemaliger sowjetischer Besatzungsoffizier nach der Zeit befragt. Und er sagte: „Die meisten deutschen Wörter, die ich kannte, habe ich vergessen, Das Wort ‘Untermensch‘ nicht.“ –

Wir gedenken hier der 27 Millionen Toten, die der Zweite Weltkrieg der Sowjetunion gekostet hat. 71 000 Städte und Dörfer wurden vernichtet. Zugleich denken wir auch an die Demütigung, die diese Millionen Menschen erfahren mussten. Dieser verbrecherische Krieg gegen die Sowjetunion war neben dem Judenmord der zweite Holocaust.

Umso bewundernswerter ist es, dass die Rote Armee und die Völker der Sowjetunion diese Leistung erbracht haben, die Wehrmacht aus ihrem Land zu vertreiben, und den wesentlichen Beitrag zur Befreiung der Völker Europas, auch des deutschen Volkes, zu bringen. Noch mehr: Sowjets haben gleich nach der Eroberung Berlins dafür gesorgt, dass die deutsche Bevölkerung zu essen bekam, obgleich sie selbst nicht genug hatten. Der Hamburger Literat Ralph Giordano hat einmal gesagt: „Wenn der Russe nach der Regel verfahren wäre, Auge um Auge, Zahn um Zahn“, dann wäre von Deutschland nichts geblieben.

Leider werden diese Tatsachen bis heute nicht gewürdigt. Im Gegenteil: Russland wird zunehmend wieder als Bedrohung und als Feind hingestellt, nicht von der Mehrheit der Bevölkerung – das will ich hier betonen -, aber von einem Großteil der Herrschenden einschließlich der großen Medien.
Deutschland militarisiert, rüstet weiter auf, nimmt an riesigen Manövern teil, wie jetzt an „Defender 2020,“ hält an der atomaren Teilhabe fest, ja, hat Truppen an der Grenze Russlands stehen, nur 150 Kilometer von St. Petersburg entfernt – alles mit der Begründung einer russischen Bedrohung – und der Staatspräsident Russlands wird aus dem Kreis unserer herrschenden Politik und der Medien ständig an den Pranger gestellt.

Zum Verhalten der Regierung in Berlin hat der deutsche Historiker Götz Aly ein klares Wort gesprochen: „Es war die Sowjetarmee, die die Deutschen von den Nationalsozialisten befreit hat. Die deutsche Politik kann sich nicht überwinden, Russland zu danken. Das ist eine Schande.“

Ich schließe eine Frage an, die der Bremer Hochschullehrer Lothar Peter kürzlich am Ende eines Leserbriefes zu diesem Thema gestellt hat: „Wäre nicht gegenüber Russland, wie gegenüber anderen Völkern und Ländern auch, eine Erinnerungskultur notwendig, die dazu beiträgt, das sich das vom russischen Volk erlittene unermessliche Leid nie wiederholt und damit auch Deutschland zukünftig von den apokalyptischen Folgen eines Krieges verschont bleibt?“

Die „Deutsch-Russischen Friedenstage“ haben begonnen, in ihrer Arbeit dazu einen Beitrag zu leisten, um ein gutes Verhältnis zu Russland zu fördern, ein friedliches und freundschaftliches Verhältnis. Das dient nicht nur Deutschland, das dient Europa, das dient dem Frieden der Welt. „Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg!“ –

Es kommen jetzt zu Wort:

Manni Laudenbach von der Shapespeare-Company Bremen und
Irene Baumann vom Verein „Deutsch-Russische Friedenstage Bremen“