Franz-Walter Steinmeier (zu der Zeit deutscher Außenminister) auf dem Weg zum Bremer Schaffermahl 2016 (Foto: Hartmut Drewes)


Nach seiner Wiederwahl zum Bundespräsidenten adressierte Dr. Franz-Walter Steinmeier in einer Rede auch die aktuelle Krise um die Ukraine. Er sagte u.a.: „Wir sind inmitten der Gefahr eines militärischen Konflikts, eines Krieges in Osteuropa. Und dafür trägt Russland die Verantwortung.“ Unser Mitglied Hartmut Drewes hat anlässlich der Rede den folgenden offenen Brief verfasst:


Sehr geehrter Herr Bundespräsident,

zunächst wünsche ich Ihnen für Ihre zweite Amtszeit alles Gute für Ihr Wirken und besonders viel Fingerspitzengefühl für Ihre Aussagen zur internationalen Politik.

Leider haben Sie Ihre Wiederwahl dazu benutzt, sich zur Ukrainekrise in einer Weise zu äußern, das nicht der Entspannung der Völker in Europa und der Welt dient.

Seit Wochen wird in der westlichen Politik und in westlichen Medien gegen Russland polemisiert und agiert. Seit Wochen behaupten die USA, dass Russland einen Einmarsch auf ukrainisches Territorium plane, was von der russischen Regierung immer wieder verneint wurde. Im Gegenteil: Von Russland werden Gespräche zur Stabilisierung der Sicherheit in Europa vorgeschlagen.

Dass Sie ausgerechnet als Staatsoberhaupt Deutschlands in dieser Weise gegen Russland auftreten, zeigt einen großen Mangel an Geschichtsbewusstsein zum deutsch-russischen Verhältnis. Russland hat Deutschland nie überfallen. Aber umgekehrt musste dieses Land besonders im Zweiten Weltkrieg kaum Vorstellbares erleiden. M.W. verloren 16 Millionen Russen ihr Leben, sowjetische Kriegsgefangene wurden bewusst dem Hunger ausgeliefert. Sie und andere junge sowjetische Bürgerinnen und Bürger wurden zu schwerer Zwangsarbeit bei meistens völlig unzulänglicher Ernährung nach Deutschland deportiert. Sie wurden nach der Rassenideologie des deutschen Faschismus gleich den Jüdinnen und Juden als minderwertige Menschen angesehen. Dieses furchtbare Kapitel wurde in Deutschland leider nie aufgearbeitet. Russland hat dagegen gegenüber Deutschland ein Verhalten beschämender Versöhnung an den Tag gelegt.
Deutschland hat sich trotz dieser Geschichte an der NATO-Osterweiterung „problemlos“ beteiligt und hat seit Jahren Truppen in 300 km Entfernung von der russischen Grenze stationiert.

Ich würde es als eine große Geste politischer Klugheit sehen, wenn Sie in diesen Zeiten erneuter Spannungen zu einer internationalen Abrüstungskonferenz raten. Sie haben dieses fast vergessene Wort erfreulicherweise gestern Abend in einem Interview genannt.

Mit freundlichen Grüßen

Hartmut Drewes, Pastor i.R.